Pfarrbrief - St. Elisabeth Hannoversch Münden
vom 11.11. bis zum 19.11.2017 - 32. Sonntag im Jahreskreis
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Am 11.11.1483 wurde Martin Luther auf den Namen des Tagesheiligen getauft. Und vor 600 Jahren, am 11.11.1417, hat das Konzil von Konstanz einen Papst gewählt, der den Namen Martin V. annahm. Damit war das abendländische Schisma beendet. Der deutsche Mönch und der römische Papst trugen den Namen des Martin von Tours, den - bei allem Gedächtnisschwund in Glaubensfragen - jedes Kind kennt. Vor 1701 Jahren wurde der gallische Bischof geboren. Seine Verehrung hängt nicht an runden Jahrestagen. Er wird alljährlich gefeiert.
Das spätmittelalterliche Bild, das um 1460/70, also kurz vor der Reformation entstand, ist einzigartig in der Bildfindung. Der unbekannte Maler („Meister des Riedener Altars“) zieht gewissermaßen den Schleier des Geheimnisses weg und deckt die Tiefe der Begegnung Martins mit dem Bettler auf. Wir sehen den Torbau der nordfranzösischen Stadt Amiens. Der Alltagsort auf einem Dienstweg wird zum Ort des Glaubens. Es kommt zusammen, was zusammengehört. Martin findet die Weisheit Gottes, von der heute die Lesung spricht (Weish 6, 12-14), „vor seiner Tür sitzen“ – nicht strahlend, unvergänglich, liebenswert, sondern unansehnlich. So ist Gottes verrückte, gekreuzigte Weisheit. Sie kommt Martin entgegen, bittet um Halt; der Reiter könnte sich davonmachen, doch er kann ihr nicht ausweichen.
Ein Ereignis im Vorbeigehen war es - und doch ein Augenblick zwischen Himmel und Erde. Die Teilung des Mantels und die Martin in der folgenden Nacht geschenkte Christusvision sind miteinander verbunden. Wer hätte das gedacht, dass Christus seine Hände im Spiel hat, dass Er es ist, den das abgetrennte Mantelstück wärmte? Jesus ist überall, oben und unten. Und er ist die Kraft, die in Martin wirkt. Martin auf dem Pferd und das rote, königsrote Textil - sie schaffen eine Diagonale und bilden die Brücke zwischen oben und unten. Christus (wir sehen seine Halbfigur in den Wolken) und der Bettler, der Höchste und der Niedrigste, sind verknüpft. Und Martin ist es, der den Elenden mit der Farbe des Herrschers bedeckt, ihn quasi „einkleidet“ und würdigt.
Das schreiende Elend des Bettlers ist nicht zum Mitansehen: beide Füße sind abgefallen, die Unterschenkel bandagiert, das Gesicht zeigt rote Lepra-Flecken. Der spärlich Bekleidete kann sich nur auf Knien, gestützt auf einen Stock, auf den Soldaten zubewegen. Er kniet vor Martin, der höchst mobil und „hoch zu Ross“ auf einem Apfelschimmel sitzt. Was für Kontraste! Der junge Martin ist elegant gekleidet und schön anzusehen. Und das Schriftband, das Christus hält und über dem Heiligen flattert, zitiert in gotischen Lettern aus der berühmten Martins-Vita des Sulpicius Severus: „Martin, zu diesem Zeitpunkt noch Katechumene, hat mich mit diesem Gewand bekleidet.“ Dies habe der Herr den Engeln in der Traumvision des Martin gesagt. Und wir fragen uns: Wer empfängt, wer spendet den Mantel?
Wir alle brauchen Schutzmäntel und brauchen Menschen, die anhalten, die dem schreienden Elend ins Auge schauen. Wir brauchen Fremde, die uns zu Nächsten werden. Wir brauchen Augen-Blicke, wo wir mehr sagen als: „Wie geht’s?“ - und dann weitergehen. So geht’s nicht! Wir sind angewiesen auf Gnadenstunden, in denen „wir das Leben teilen wie das täglich Brot“ (GL 474). Wir sind keine Heiligen und wollen doch wache Zeitgenossen sein, die das Notwendige tun. „Wir sind pettler, das ist wahr“, soll Luthers letztes schriftliches Zeugnis einen Tag vor seinem Tod gelautet haben. Gott, lass uns Menschen begegnen, die die Güte haben, diese Welt und unsere um Liebe bettelnden Seelen zu bekleiden und zu wärmen!
Kurt Josef Wecker
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